woensdag 2 april 2008

1 - Der Schrei aus der Tiefe

Einst lebten im Städtchen Herzogenrath zwei junge Leute, Lotte und Eduard. Sie wohnte in der Kleikstrasse, unterhalb der Burgruine. Im wild verwachsenen Burggarten spielten sie oft das Märchen vom verwunschenen Burgfräulein und vom Prinzen, der das Mädchen aus einem tiefen Schlaf wachküsste. Sie hatten einander im Laufe der Zeit so lieb gewonnen, dass sie sich schliesslich ewige Treue schworen. Als Eduard jedoch ein Handwerk erlernen sollte, musste er Herzogenrath verlassen und sich auf Wanderschaft begeben. Lotte und Eduard erneuten beim Abschied ihren Schwur, und sie schieden mit der Hoffnung auf ein frohes Wiedersehen. Nach der Lehre und Wanderjahren Eduards wollten sie bald Hochzeit feiern.

Woche um Woche, Monat für Monat schrieb Eduard seiner Liebsten immer wieder von seinen Sorgen und von seinen Freuden. Doch mit der Zeit wurden die Briefe kürzer. Dann kamen sie seltener, bis schliesslich nur noch wenige Grussworte Lotte erreichten; meist erst nach vielen Monaten. Letztendlich blieb jede Nachricht aus. Lotte sorgte sich sehr um ihren Verlobten, und es verging kein Tag, an dem sie nicht auf neue Nachrichten wartete. Immer wieder ging sie in den Burggarten, und mit geschlossenen Augen träumte sie von den Spielen der Kindheit.
An den Markttagen lief sie von Händler zu Händler und hoffte, von diesen Neues über Eduards Schicksal zu erfahren.

Eines Tages erschien ein Wahrsager auf dem Herzogenrather Markt. Auch ihn fragte sie nach Eduards Verbleib. Der Wahrsager erklärte sich bereit, seine Glaskugel zu befragen, wenn Lotte ihn dafür entlohnen wolle. Sie willigte sofort ein, wenn sie auch nicht viel Geld besass. Der Wahrsager lies sich von Eduards letzen Briefen erzählen, die Lotte ständigen Lesen schon auswendig hersagen konnte. Dann breitete er über seine Glaskugel ein schwarzes Tuch und steckte für einen kurzen Moment seinen Kopf darunter. Lotte kam es so vor, als schaue er stundenlang auf die Kugel.

Endlich blickte er sie mit sorgenvoller Miene an: "Ich habe Eduard gesehen. Aber was ich dir sagen muss, wird dich nicht trösten. Er lebt im Limburgischen in einer kleinen Handwerkstube. Er hat eine Frau und vier Kinder". Lotte blieb das Herz im Leib stehen. Immer und immer wieder verlangte sie die Nachricht von Eduard zu hören. "Ich kann nicht glauben, was Du mir sagst!", schrie sie dem Wahrsager ins Gesicht. Da ihr der Wahrsager aber hoch und heilig versicherte, dass sich seine Kugel noch nie geirrt habe, ging sie niedergeschlagen vom Marktplatz weg. Sie irrte geraume Zeit durch die Gassen des Städtchens. Endlich kam sie auch an den Erkensweiher, über dem im fahlen Mondlicht des Novemberabends dichte Nebel zogen.

Lottes Vater hatte sich inzwischen aus Sorge um seine Tochter mit seinen Nachbarn, die ihm die Nachricht von Eduard zugetragen hatten, auf die Suche nach ihr gemacht. Doch wo immer sie auch suchten, wen immer sie auch fragten - niemand wusste, wo Lotte war. Keiner hatte sie gesehen. Auch der Wahrsager war spurlos verschwunden.

Längst war dunkelste Nacht über Herzogenrath gekommen, als sie mit Fackeln das Gebiet um den Weiher absuchten - vergebens. Noch viele Tage und Nächte suchten alle nach Lotte - sie wurde nicht mehr gesehen. Grosse Trauer herrschte da in dem kleinen Städtchen, und wilde Gerüchte machten die Runde.

Ein Jahr war seit ihrem rätselhaften Verschwinden vergangen, als Fischer an einem nebligen Novemberabend mit ihrem Fang vom Weiher aufbrechen wollten. Wie erstarrten sie aber, als sie einen Schrei aus der Tiefe des Sees hörten. Einer war Nachbar Lootes, und er war sich ganz sicher, Lottes Stimme erkannt zu haben. Voller böser Ahnung liefen die Fischer vom Ort des Grauens weg.

Seither, so geht die Sage, kann man in nebligen Novembernächten, wenn der Mond den kleinen See mit seinem kalten Licht erleuchtet, einen Schrei aus der Tiefe vernehmen.

(to be continued……)
With special thanks to Sally, for the beautiful picture

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